Wie der kleine Haifisch Freunde fand

Eine Parabel über Freundschaft, Mut, Toleranz, Mitgefühl und Vertrauen

Enthalten:

Einst im Indischen Ozean verabschiedete sich ein kleiner Weißspitzenriffhai von seiner Mutter und zog ins weite Meer hinaus.

Er zog von Riff zu Riff und freute sich über die vielen bunten Korallen und die vielen bunten Fische, die dort zu Hause waren.

Doch schon bald wurde ihm langweilig und er beschloss, sich einen Freund zu suchen. So fragte er alle Riffhaie, denen er begegnete, ob sie sein Freund sein wollen. Doch die lachten nur über ihn und riefen: „Nein. Wir bleiben lieber allein, dann müssen wir unsere Beute nicht mit dir teilen!“

Das machte ihn sehr traurig und so zog er allein weiter, bis er einen Thunfisch traf. Warum sollte dieser nicht mein Freund werden, überlegte er und fragte ihn daraufhin. Doch der Thunfisch antwortete nur: „Deine Zähne sind schärfer als meine und wenn du Hunger hast, wirst du mich sicher fressen!“

Als Nächstes begegnete er einem Zackenbarsch und er fragte auch ihn, ob er sein Freund sein wolle. Entsetzt antwortete er: „Du bist viel größer als ich, und wenn du Hunger hast, bin ich dir plötzlich egal und du wirst mich mit Schupp‘ und Zack‘ verspeisen!“

Daraufhin traf er einen Fledermausfisch und er fragte auch diesen. Doch auch dieser hatte Angst und erklärte schnell: „Du schwimmst viel schneller als ich, und wenn du Hunger hast, kann ich dir nicht entkommen!“

Der kleine Hai wurde immer trauriger, doch aufgeben wollte er noch nicht. Am nächsten Tag traf er einen Kugelfisch und er fragte diesen: „Kugelfisch, willst du mein Freund sein?“ Aber der saugte sich sofort voller Wasser, bis er rund wie ein Ball war und rief: „Um Himmels willen. Wenn ich mit dir spiele, verliere ich all meine anderen Freunde und bin so allein wie du!“

Ganz traurig schwamm der kleine Hai weiter, bis er einem Kofferfisch begegnete. „Kofferfisch, willst du mein Freund sein?“ „Nein, du bist viel zu klug. Gegen dich würde ich beim Spielen immer nur verlieren! Das macht doch keinen Spaß!“

Der kleine Weißspitzenriffhai verstand die Welt nicht mehr und als er einen kleinen Rotfeuerfisch auf einem Korallenblock sitzen sah, wollte er es noch ein allerletztes Mal versuchen. „Hallo Rotfeuerfisch, willst du mein Freund sein?“ Doch dieser stellte sofort seine giftigen Stacheln an seinen Rückenflossen auf und sagte spitz: „Du glaubst doch nicht, dass ich darauf hereinfalle. Sobald ich dir den Rücken zudrehe, machst du mir den gar aus.“

Nun hatte der kleine Hai endgültig genug und beschloss, nie wieder jemanden zu fragen.

Genau in diesem Moment kam eine Gold-Makrele vorbeigeschwommen. „Hey kleiner Hai, warum bist du denn so traurig?“, fragte sie ihn besorgt. Der kleine Hai schwamm etwas näher heran und antwortete: „Ich bin traurig, weil niemand mein Freund sein will. Alle haben Angst vor mir, weil sie glauben, dass ich sie fressen will, oder dass ich bei allem besser oder stärker bin als sie. Doch anstatt von mir zu lernen, drehen sie mir lieber den Rücken zu.“

Die Gold-Makrele hatte Mitgefühl mit dem Hai. Sie war fast so groß wie er und eine der schnellsten Schwimmerinnen im Ozean. Und sie hatte keine Angst vor ihm.

Und so kam es, dass der kleine Weißspitzenriffhai und die Gold-Makrele unzertrennliche Freunde wurden. Sie spielten zusammen im Sand, versteckten sich in Riffhöhlen und gingen gemeinsam auf Beutejagd, wobei sie viel voneinander lernten. Manchmal machten sie ein Wettschwimmen, und dann sah es oft so aus, als würde die Makrele den Hai durch das Meer jagen.

Als die anderen Fische diese Verfolgungsjagd sahen, schauten sie zunächst amüsiert zu und auch die Hälse der im Sand steckenden Röhrenaale wurden immer länger. Doch als sie den kleinen Hai an seiner weißen Rückenflosse erkannten und begriffen, dass er eine Freundin gefunden hatten, hörten sie auf zu lachen.

Eine böse Moräne, die ihren langen, schlangenförmigen Körper in einer Höhle versteckt hielt und nur ihr spitzes Maul herausragen ließ, schrie plötzlich mit schriller Stimme: „Schaut euch die verrückte Makrele an. Die spielt nicht mit dem Hai, die spielt mit ihrem Leben!“

Ihr Geschrei schallte durch das ganze Wasser und wurde von allen Meeresbewohnern gehört. Auf einmal begann ein riesengroßes Gelächter.

Die Fledermausfische lachten, bis sich ihre Flossen krümmten.

Die Kofferfische lachten, bis sie sich wie Hubschrauber aufgeregt um die eigene Achse drehten.

Die Kugelfische wurden immer runder und platzten fast vor Lachen.

Und die Rotfeuerfische färbten sich vor lauter Lachen dunkelrot, bis sie fast wie kleine Teufel aussahen.

Doch was war das! Neugierig geworden durch das Geschrei kam plötzlich ein grauer Riffhai vorbei. Er war sehr hungrig und freute sich zu sehen, wie unaufmerksam all die anderen Meeresbewohner waren. Sie lachten so sehr über die Gold-Makrele und den kleinen Hai, dass sie nicht mehr daran dachten, vorsichtig zu sein. So leichte Beute hatte der graue Riffhai bei Tageslicht noch nie gehabt. Und gerade, als er sich auf den Thunfisch stürzen wollte, um ihn genüsslich zu verspeisen, rief der kleine Weißspitzenriffhai: „Achtung! Passt auf!“

In letzter Sekunde konnten sich alle Fische in kleine Höhlen in Sicherheit bringen. Als der große Hai jedoch verschwunden war, traute sich keiner von ihnen mehr heraus. Oh, was schämten sie sich für ihr Gelächter und dafür, dass sie mit dem kleinen Hai nie hatten Freundschaft schließen wollen. Sie hatten immer nur daran gedacht, dass er sie fressen könnte, und nun hatte er ihnen das Leben gerettet.

Die Gold-Makrele dagegen brauchte sich nicht zu verstecken, denn sie wusste, dass ihr großer Freund sie immer beschützen würde. Und gerade als die beiden weiterziehen wollten, rief der Thunfisch dem kleinen Hai plötzlich zu: „Es tut mir leid. Wir waren schrecklich ungerecht zu dir. Wir haben dich aufgrund deines Aussehens verurteilt und dir gar keine Chance gegeben. Wir möchten dich gerne kennenlernen. Bitte bleibt hier und werdet unsere Freunde!“

Der kleine Hai und die Makrele beschlossen zu bleiben. Und so kam es, dass der kleine Hai am Ende nicht nur einen, sondern viele Freunde gefunden hatte.

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